Felix Baxmann

Da Wo Es Schön Ist

 

„Kann in einer Zeit, in der neue Medien die bildende Kunst längst erobert haben und politische und gesellschaftliche Aktualität abbilden, eine klassische Zeichnung eine ebensolche Analyse der Gesamtsituation darstellen oder zumindest ein Gefühl beinhalten, das dieser Gegenwart gerecht wird? Zwar haben bei der Beantwortung solcher Fragen die Rezipient:innen das letzte Wort, dennoch möchte ich mich mit dieser Frage in meinem Projekt Da Wo Es Schön Ist tiefergehender auseinandersetzen.

Ich habe mich aufgrund eigener Tabus lange dagegen gesträubt, aber es zieht mich in die zeichnerische Darstellung von Deutschland, einem Wohnzimmer Deutschland, einem assoziativen Deutschland.
Es geht dabei um den Versuch, politische Zeichen und Symbole zu abstrahieren und in der Gegenwart zu implementieren. Mit diesen Symbolen, die ich auf das Papier zeichnend einwebe, verweise ich in die Geschichte des Landes und schaffe dadurch einen Anreiz für eine emotionale Reaktion.
Schlagwörter wie Landschaft, Heimat, Tristesse, Tagebuch, Dokumentation und Trauma umreißen dieses deutsche Wohnzimmer grob.
Ich habe zeichnerisch ein Konzept begonnen, welches sich nicht mehr meinungsneutral durchsetzen lässt. War ich zunächst ein Gegner von Titeln, so drangen sie sich mir plötzlich auf, fielen aus der medialen Welt und hefteten sich an mein ästhetisches Gedächtnis.

Wie vereine ich meinen Protest, meine Meinung über eine politische Lage, über eine Stimmung mit den einfachen Mitteln der Zeichnung?
Die Zeichnung erscheint dabei als eine Art Echo meiner Betrachtungen. Ereignisse überschlagen sich. Erst Corona, jetzt der Krieg in der Ukraine. Die Zeichnung wird auch zum Echo des emotionalen Rückzugs. Sie wird zu meinem persönlichen Rückzugsort, analysierend, abwartend, verspätet wertend.

Was geht in mir vor, wenn ich wachsenden Rechtsdruck, Corona-Maßnahmen, oder deren Folgen erlebe? Was bedeutet das für mich, für meinen Mikrokosmos, für meine Familie und wie bildet es sich ab, wenn ich künstlerisch tätig werde?

„Da Wo Es Schön Ist“, beschreibt eine Sehnsucht nach Zeit, einer Zeit, die längst im Grau der Erinnerung verloren gegangen ist. Die gezeigten Arbeiten dehnen wie im Prisma die erlebte Zeit innerhalb der Welt aus der sie stammen. Sie stehen exemplarisch für die Sehnsucht nach einem Ort, der nur deshalb in Deutschland liegt, weil die eigene Biografie dies so setzt. Diese Sehnsucht, die nach hinten ebenso greift wie nach vorne und die da hin will, wo es schön ist, oder wo es schön gewesen zu sein scheint, spricht aber, so scheint mir, ganz von allein auch von einem Gefühl des Verlust des Gegenwärtigen.

Die ganze Serie habe ich auf sehr altem Millimeterpapier herausgearbeitet, einem Papier aus längst vergangener Zeit. Das Millimeterpapier als Metapher für vergangene deutsche Klischees oder für Deutschsein als kulturelles Konstrukt – kleinkariert, korrekt, quadratisch, genau.“

Felix Baxman

 

Eröffnung: Samstag 03.09.2022, 17:00 – 21:00 Uhr

Ausstellung: 03.09. – 05.11.2022

Öffnungszeiten: Mi. – Sa., 13 – 18 Uhr und nach Vereinbarung

Robert Bosisio, Peter Demetz, Domenico Grenci, Bruno Walpoth

Die Ausstellung mit 4 Künstlern (zwei Malern und zwei Bildhauern) gibt einen Einblick in das äußerst lebendige künstlerische Schaffen im Bereich der figurativen Kunst in Südtirol und Oberitalien.

Die über 400 jährige Tradition der Bildschnitzerei im Grödnertal, die sich im Bereich der sakralen und profanen Holzkunst einen großen Namen gemacht hat, hat in den letzten 20 Jahren eine Gruppe von Bildhauern hervorgebracht, die auf höchstem technischen Niveau die figurative zeitgenössische Skulptur zu neuer Größe gebracht haben und weltweit erfolgreich sind. Wir stellen hier zwei von Ihnen Peter Demetz und Bruno Walpoth vor. Im Bereich der Malerei zeigen wir neue Werke von Robert Bosisio, der sich ebenfalls in den letzten Jahren stark mit dem Bild des Menschen beschäftigt hat und 2020 zum Künstler des Jahres in Südtirol gewählt wurde. Hinzu kommt mit Domenico Grenci ein Maler und Zeichner aus Bologna, der sich ebenfalls fast ausschließlich mit der menschlichen Figur und noch spezieller dem Portrait beschäftigt.

Robert Bosisio (*1963) erarbeitet sich seine Bilder über sehr lange Zeiträume, indem er immer neue Farbschichten (bis zu 20 Schichten) aufträgt, Teile wieder abkratzt oder abwäscht und Materialien wie reines Pigment, Sand, Asche und verschiedenste Farbmaterialien mischt. Allen Bildern gemeinsam ist das Schwanken zwischen gegenständlichem Motiv und dem Verschwinden des Motivs zu Gunsten der Oberflächenstruktur und des Farbklangs im Bild. Ergebnis ist ein hochkomplexes Bild, auf dem die Portraitierten oder Körperteile entrückt erscheinen und wie hinter einem Schleier verschwommen. Sie werden dadurch entpersonalisiert und bekommen etwas Archetypisches.

Peter Demetz (*1969) spielt mit der räumlichen Vorstellung des Betrachters. Er weist seinen Figuren einen festen architektonischen Raum zu, der aber vollkommen offen und undefiniert bleibt. Durch die strenge Reduktion dieser bühnenartigen Räume wird alle Aufmerksamkeit auf die Figuren gerichtet. Die architektonischen Flächen sind eher eine Projektionsfläche für die Betrachter, deren Phantasie es überlassen bleibt den Figuren eine konkrete Geschichte oder eine mögliche Handlung in diesen Räumen zuzuweisen. Lichtführung und architektonische Bühne lassen die nur wenige Millimeter dünnen Relieffiguren dreidimensional wirken und geben ihnen Lebendigkeit. Adam Budak nennt sie sehr passend „kleine Theater menschlicher Angelegenheiten und privater Welten“.

Der aus Bologna stammende Maler Domenico Grenci (*1981) fokussiert sein Werk auf Portraits. Mit einer Mischung aus Öl, Rötel und Kohle schafft er ausgesprochen zarte Bilder, in denen die porträtierten Personen nur flüchtig aufzutauchen scheinen. Sie wirken sehr verletzlich und zurückhaltend als würden sie sich nur vorsichtig durch die Fläche des Papiers hindurch in die Welt hinaus trauen. Trotz dieser meist nur leicht angedeuteten Gesichtszüge strahlen die Porträtierten eine große Ruhe und Individualität aus.

Alle Figuren von Bruno Walpoth (*1959) entstehen in der direkten Auseinandersetzung mit realen Modellen ohne Fotos als Zwischenschritt zur Hilfe zu nehmen. Es sind Menschen aus seinem Lebensumfeld, deren Charakter er in so einzigartiger Weise in der Figur erfassen kann, daß sie für den Betrachter oft sehr ergreifend und intim wirken. Er sucht das Gleichgewicht zwischen Pose und ganz natürlicher Haltung, zwischen allgemeingültigem Menschenbild in bestimmten Körperhaltungen und Ausdrucksformen und individuellem Ausdruck. Die Portraitierten wirken oft verletzlich, sehr zurückhaltend, fast schüchtern. Sie entziehen sich in gewisser Weise dem forschenden Betrachterblick, sind aber zugleich tief berührend.

Ausstellung: 28.04. – 19.06.2021

Öffnungszeiten: Mi. – Sa., 13–18 Uhr und nach Vereinbarung